Sozial benachteiligte Frauen sind überdurchschnittlich häufig körperlich-sportlich inaktiv. Das Projekt BIG – Bewegung als Investition in Gesundheit – fördert die körperliche Aktivität von Frauen in schwierigen Lebenslagen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu deren Gesundheit. Bewegung fördert nicht nur die Gesundheit, sondern auch die soziale Integration sowie das Selbstvertrauen der Frauen.
Zielgruppe: Frauen in schwierigen Lebenslagen
Projektnehmende: Department für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)
Projektlaufzeit: 2005 – kein Ende geplant
Video: Aus der Praxis für die Praxis – Partizipation im Projekt “Bewegung als Investition in Gesundheit”
Weitere Informationen zu den einzelnen Good Practice Kriterien, u.a. „Partizipation“, finden Sie hier.
Zielgruppe des Projekts – wer und warum?
Zielgruppe des Projekts sind Frauen in schwierigen Lebenslagen, also zum Beispiel jene, die ein niedriges Einkommen oder einen Migrationshintergrund haben, Sozialhilfeempfängerin sind, einen niedrigen Bildungsstand haben, alleinerziehend oder arbeitslos sind.
Umsetzung und Projekterfolg – wie und was?
BIG wurde von 2005 bis 2008 im Rahmen eines initialen Modellprojektes von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der FAU gemeinsam mit Praxispartnerinnen und Praxispartnern der Stadt Erlangen entwickelt und erprobt. Nach Ablauf der ersten Förderphase im Jahr 2008, wurde ein Projektbüro zur Koordination des BIG-Projekts in Erlangen geschaffen und die Verantwortlichkeit für das Projekt auf die Praxispartner übertragen. Seit diesem Initialprojekt gab es sieben weitere BIG-Teilprojekte (BIGGERt, BIGff, BIG.Manual, BIG.kompetenz, BIG.Disseminierung, NU-BIG, BIG5), durch die das Ziel verfolgt wurde, das BIG-Projekt auf neue Kommunen bzw. Settings zu übertragen und Kommunen bei der nachhaltigen Umsetzung des Projekts zu unterstützen. Bislang wurde das Projekt auf 20 Standorte, vorwiegend in Bayern, übertragen. Aktuell sind schätzungsweise 800 Frauen in BIG-Angeboten an den verschiedenen Standorten aktiv. Über die vergangenen Jahre wurde ein Vielfaches an Frauen erreicht.
Vorbereitung sowie Nutzung und Aufbau von Strukturen
Das Empowerment von Frauen in schwierigen Lebenslagen ist ein zentrales Ziel, das durch BIG verfolgt wird. Das bedeutet, dass Frauen durch BIG mehr Kontrolle über Determinanten ihrer Gesundheit ermöglicht werden soll. Durch die Teilnahme an den Bewegungskursen stärken die Frauen individuelle Fähigkeiten, z. B. Schwimmfähigkeiten, und erweitern ihr soziales Netzwerk. Eine noch umfassendere Bestärkung erfahren die Frauen, die an der kooperativen Planung teilnehmen. Durch die Beteiligung der Frauen an allen Projektphasen, d. h. der Planung, Umsetzung und Evaluation der Kurse, wird ein wesentliches Ziel des BIG-Projekts, das Empowerment von Frauen in schwierigen Lebenslagen, erreicht. Die Beteiligung fördert deren Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen und trägt zur Überwindung von sozialer Isolation bei. Darüber hinaus erwerben sie zusätzliche Kompetenzen im Umgang mit staatlichen Institutionen. Es entsteht ein besseres Verständnis für relevante soziale und politische Prozesse und die darin agierenden Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger.
Auf der anderen Seite werden Basisexpertinnen und Basisexperten und politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dazu befähigt, Gesundheitsförderung für eine gesundheitlich besonders benachteiligte Zielgruppe zu verwirklichen, die mit den bestehenden Angeboten in der Kommune bisher kaum erreicht werden konnte. Im Projektverlauf werden hierfür Netzwerke und geeignete Kommunikationswege geschaffen, die auch nach Projektende in die Prozesse und Routinen der Kommune verankert werden.
Bedarfsanalyse
Studien belegen, dass insbesondere sozial benachteiligte Frauen überdurchschnittlich häufig körperlich-sportlich inaktiv sind. Unter sozialer Benachteiligung verstehen wir schwierige Lebenslagen, z. B. wenn Frauen alleinerziehend oder arbeitslos sind, über ein niedriges Haushaltseinkommen verfügen, Schwierigkeiten aufgrund ihres Migrationshintergrunds oder einen niedrigen formalen Bildungsabschluss haben. Barrieren, wie fehlende kultursensible Angebote, Sprachschwierigkeiten, Angst vor Stigmatisierung, mangelnde finanzielle Ressourcen oder fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung, hindern sie oftmals daran, bestehende Angebote der Gesundheitsförderung, z. B. Sportkurse, zu nutzen. Ihre Chancen zur Teilhabe an den vielfältigen positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität sind dadurch reduziert.
In Erlangen wurde z. B. festgestellt, dass Frauen in schwierigen Lebenslagen trotz zahlreicher vorhandener Bewegungsangebote und -möglichkeiten nicht erreicht werden konnten. Um Informationen über Lebensstile und Barrieren dieser Frauen zu bekommen, wurden Fokusgruppen durchgeführt, aus denen bereits erste Bedarfe und Bedürfnisse abgeleitet werden konnten. Zudem konnten aus den Fokusgruppen Frauen in schwierigen Lebenslagen für das Thema sensibilisiert und zur Mitarbeit bei der partizipativen Maßnahmenplanung und -umsetzung motiviert werden.
Planung von Maßnahmen und Umsetzung
Die Partizipation der Zielgruppe ist ein wesentliches Element von BIG und wird anhand der Methode der kooperativen Planung und der Planungstreffen realisiert.
Die kooperative Planung bezeichnet die gleichberechtigte Zusammenarbeit aller Beteiligten in allen Projektphasen. An der kooperativen Planung sind Vertreterinnen aus der Zielgruppe, die lokale BIG-Koordination, politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger (z. B. Stadträte und Vorsitzende von Vereinen) und lokale Basisexpertinnen und Basisexperten (z. B. Mitarbeitende von Kulturvereinen, Sportvereinen oder Ämtern) beteiligt.
Im Zuge der Verstetigung des Projekts finden dann vor jeder neuen Angebotsplanung Planungstreffen statt, an denen viele Frauen (in Erlangen bis zu 80 Frauen), Übungsleiterinnen sowie die Projektkoordination beteiligt sind. Diese finden meist in einer niedrigschwelligen Umgebung statt. Ziel der Planungstreffen ist, die genauen Bedarfe der Frauen zu erfragen und sie an dem Entscheidungsprozess zu beteiligen. Erfragt werden z. B. Uhrzeit, Ort und Art der Sportkurse und ob eine Kinderbetreuung gewünscht ist. Bei den Planungstreffen stellen sich auch Übungsleiterinnen vor und können direkt mit den Frauen ins Gespräch kommen.
Auch das im Zuge der kooperativen Planung geschaffene Netzwerk wird fortgeführt und weiterentwickelt, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können sowie den Ausbau und die Verankerung der BIG-Prozesse in der Kommune zu begleiten.
Die Umsetzung von BIG im Setting Kommune ermöglicht es, Maßnahmen auf die Bedarfe vor Ort abzustimmen. Zudem bietet es die Möglichkeit zur Nutzung vorhandener Ressourcen und von kurzen Bearbeitungs- und Kommunikationswegen.
Beworben werden die BIG-Aktivitäten durch Multiplikatorinnen, die selbst aus der Zielgruppe stammen und zielgerichtet Frauen in ihrer Lebenswelt, z. B. in Moscheen oder Kindergärten ansprechen.
Evaluation
BIG zielt auf die wissenschaftliche Fundierung von Gesundheitsförderung in den Bereichen Politikentwicklung, Initiierung von Beteiligung sowie Befähigung und Nachhaltigkeit. Dabei wird das Projekt durch eine umfassende Evaluation begleitet. Die Evaluation bezieht sich sowohl auf den gesamten Prozess der Projektentwicklung, -umsetzung und -nachhaltigkeit (z. B. unter dem Aspekt der Beteiligung der Zielgruppe) als auch auf die Projektergebnisse, die mit der Intervention erzielt wurden.
Bisherige Analysen von BIG haben gezeigt, dass es im Rahmen der Bewegungskurse gelingt, Frauen in schwierigen Lebenslagen zu erreichen. Zudem berichten Frauen, dass sich durch die BIG-Kurse ihr soziales Netzwerk vergrößert und sich die Teilnahme positiv auf ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden ausgewirkt hat. Frauen die am kooperativen Planungsprozess teilnahmen, berichteten über eine gesteigerte Selbstwirksamkeit, da sie in die Lage versetzt wurden, ihre Interessen zu vertreten und sie ihr Wissen über politische und administrative Prozesse erweitern konnten. Auf struktureller Ebene verbessert BIG die kommunalen Bewegungsmöglichkeiten, indem es lokale Netzwerke zur Gesundheitsförderung stärkt, Routinen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an kommunalen Entscheidungsprozessen schafft und Hindernisse für die Teilnahme an Bewegung für Frauen im Allgemeinen beseitigt.
Nachhaltige Verankerung des Projekts – was kommt danach
Das BIG-Projekt wurde im Rahmen der Präventionsforschung des Bundes (Bundesministerium für Bildung und Forschung) unter der Leitung des Departments für Sportwissenschaft und Sport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 2005 in Erlangen entwickelt. Seither wurde BIG an 18 Standorten umgesetzt. Bis 2019 wurden die Programmaktivitäten an acht BIG-Standorten aufrechterhalten, welche durchschnittlich, seit mehr als 9 Jahren aktiv sind. Standorte, die heute nicht mehr aktiv sind, unterhielten die Projektaktivitäten durchschnittlich vier Jahre lang. Ab 2020 wird das BIG-Projekt im Rahmen von zwei neuen Projekten fortgeführt, weiterentwickelt und umfassend untersucht. Zum einen fördert das GKV-Bündnis für Gesundheit die Ausweitung des weiterentwickelten Projekts über eine Laufzeit von vier Jahren im Projekt „BIG 5“. Zum anderen fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Nachuntersuchung von BIG (NU-BIG) für die Dauer von 3,5 Jahren.
Sie haben Fragen?
Bei Fragen rund um das Projekt, hilft ihnen das BIG-Projektteam an der FAU gerne weiter.
E-Mail: sport-big@fau.de
Telefon: +49 (0)9131-85 25005
Website: www.big.fau.de