Sechstes Fachforum zu gesundheitlicher Chancengleichheit

Am 6. und 7. Juli 2022 führte die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Bayern (KGC) die bereits sechste Veranstaltung zum Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit in allen Lebensphasen – Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?“ durch. Zum dritten Mal fand die Veranstaltung mit über 50 Akteurinnen und Akteure der Region Mittelfranken erfolgreich im Online-Format statt. Die Bedeutung des Themas spiegelt sich in dem breiten Tätigkeitsspektrum der Teilnehmenden wider. An der Veranstaltung nahmen Vertreterinnen und Vertreter der Regierung von Mittelfranken, seiner Stadt- und Kommunalverwaltungen (z. B. Gesundheitsämter, Gesundheitsregionenplus), diverse Vereine, Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Hochschulen und Universitäten) sowie ehrenamtlich Tätige teil. Wie Moderatorin Regina Köpf zum Thema gesundheitliche Chancengleichheit betonte, vereinten alle „gemeinsame Interessen, an denen gemeinsam gearbeitet werden kann“.

Veranstaltungstag 1 am 6. Juli 2022

„Gleiche Gesundheitschancen für alle!“

Zu Beginn der Veranstaltung richtete Dr. Thomas Bauer, Regierungspräsident von Mittelfranken, das Wort per Videobotschaft an die Teilnehmenden. Menschen in schwierigen Lebenslagen sollen gleiche Chancen auf eine bestmögliche Gesundheit haben. Mit dem Appell „Gleiche Gesundheitschancen für alle!“ hob Herr Dr. Bauer die Bedeutung der von der Koordinierungsstelle für gesundheitliche Chancengleichheit in Kooperation mit der Regierung von Mittelfranken organisierten Veranstaltung hervor. Er betonte zudem, dass es wichtig sei, Akteurinnen und Akteure aus verschiedenen Bereichen der Gesundheit, Bildung, Soziales, Stadtplanung und Politik zusammenzubringen, „[…] um neue Ansätze der Gesundheitsförderung zu diskutieren und verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.“ Abschließend zeigte Herr Bauer die Schritte auf, die im Rahmen der Veranstaltung gegangen werden sollten, um dem Ziel der gesundheitlichen Chancengleichheit etwas näher zu kommen: „Wir wollen den Ist-Zustand analysieren, Unterstützungsbedarfe identifizieren und darauf aufbauend Handlungsmöglichkeiten zielgerichtet aufzeigen.“

Gesundheit spielt in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle“

Mit dem ersten Vortrag der Veranstaltung gab Kathrin Steinbeißer, Referentin und stellvertretende Leiterin der KGC Bayern, eine Einführung in das Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit“.

Um gesundheitliche Chancengleichheit zu schaffen, ist es wichtig, die Faktoren zu betrachten, die unsere Gesundheit beeinflussen.
„Gesundheit spielt in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle“, betonte Frau Steinbeißer. Denn neben individuellen Einflussfaktoren und Verhaltensweisen spielen vor allem die Verhältnisse, in denen Menschen leben, lieben und arbeiten, eine wichtige Rolle in Bezug auf die Entstehung von gesundheitlichen Ungleichheiten.

So haben bestimmte Personengruppen schlechtere Chancen auf ein gesundes Leben als andere. Darunter zählen beispielsweise Menschen mit einem geringen Einkommen, einem niedrigen Bildungsstand, Alleinerziehende oder Menschen mit einem schwierigen Migrationshintergrund. Daher ist es wichtig, diese Personengruppen gezielt zu unterstützen. Frau Steinbeißer betonte hierzu: „Wir haben die größten Effekte, wenn wir diejenigen erreichen, die die größten Gesundheitsprobleme haben und am schwersten zu erreichen sind“. Ein wichtiger Ansatz dabei ist, die Verhältnisse in den Lebenswelten, in denen die Menschen anzutreffen sind (z. B. Kita, Schule, Kommune), gesundheitsförderlich zu gestalten.
Anhand eines praxisbezogenen Beispiels vermittelte Frau Steinbeißer, wie Aktivitäten zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit gemeinsam mit der Zielgruppe entwickelt, umgesetzt und evaluiert werden können. Dabei betonte sie, dass die „Kriterien guter Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung“ für die Konzeption und Umsetzung eine gute Unterstützung bieten. Als Beispiele solcher Kriterien stellte sie die „Beteiligung und Bestärkung der Zielgruppe“ sowie die „Nachhaltigkeit“ und den „Zielgruppenbezug“ vor.

Möchten auch Sie Aktivitäten oder Projekte zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit ins Leben rufen? Die KGC Bayern unterstützt und begleitet Sie gern bei deren Entwicklung und Durchführung. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zum Abschluss ihres Vortrags hob Frau Steinbeißer das rege Interesse der Teilnehmenden an der Veranstaltung hervor: „Sie alle leisten bereits jetzt einen positiven Beitrag, um gesundheitliche Chancengleichheit zu einem wichtigen Thema zu machen – mit dem Ziel, Gesundheit für alle zu unterstützen!“

Im zweiten Vortragsteil stellte Iris Grimm, Referentin der KGC Bayern, ein weiteres Angebot der KGC Bayern vor – den seit 2015 bestehenden Partnerprozess „Gesundheit für alle“.
„Im Fokus steht die Förderung eines gesunden und chancengerechten Lebens von Menschen jeden Alters.“, erläuterte sie. Ziel des Partnerprozesses ist es, Kommunen beim Aufbau und der Umsetzung von integrierten kommunalen Strategien zu unterstützen. So sind mittlerweile 75 Kommunen aus ganz Deutschland daran beteiligt. Sehr erfreulich ist, dass bereits 20 Kommunen aus Bayern dem Partnerprozess beigetreten sind.
„Mit dem Austausch untereinander kann viel bewirkt werden“, betonte Frau Grimm. So hat man als Mitglied die Möglichkeit an Austauschtreffen, Fortbildungen und Qualifizierungsangeboten teilzunehmen. Auch die Umsetzung eigener Fachtagungen kann (inhaltlich sowie finanziell) unterstützt werden. Am Ende ihres Vortrags lud Frau Grimm die Teilnehmenden ein, ebenfalls Mitglied zu werden: „Wenn Sie Partnerkommune werden möchten, dürfen Sie sich gerne an uns wenden!“. Mehr Informationen zum Partnerprozess „Gesundheit für alle“ finden Sie hier.

Die Präsentation zum Vortrag von Frau Steinbeißer zum Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit – Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?“ und von Frau Grimm zum Partnerprozess „Gesundheit für alle“ finden Sie hier.

Unterstützung für Hebammen und Schwangere – die „Hebammenzentrale“

Die Begleitung von Frauen in ihrer Schwangerschaft wird neben Fachärztinnen und -ärzten von Hebammen übernommen. Fast die Hälfte aller schwangeren Frauen gaben in einer Umfrage der Frauenklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen an, dass trotz intensiver Suche keine Wochenbettbetreuung gefunden werden konnte. Besonders Frauen in schwierigen Lebenslagen waren davon betroffen, weshalb es wichtig ist, insbesondere diese Frauen zu unterstützen. So startete Sebastian Gmehling, Leiter der Gesundheitsregionplus Erlangen-Höchstadt und Erlangen (GR+), seinen Vortrag. Die Situation bezeichnete er als „angespannte Versorgungslage, die vor allem durch Widrigkeiten des Hebammenberufs zustande gekommen ist.“

Um diesem Problem zu begegnen, initiierte die GR+ im Jahr 2017 eine partizipative Bedarfserhebung (u. a. mit Hebammen, Schwangeren, Ärztinnen und Ärzten). Eines der zentralen Ergebnisse war, dass aufgrund des hohen Organisationsaufwandes die Arbeitszeiten der Hebammen nicht effizient für die Betreuung der Frauen (z. B. Vorsorge, Wissensvermittlung in Kursen, Versorgung) genutzt werden können. Dies wiederum führt zu einem Wissensdefizit sowie einer geminderten Handlungskompetenz der Frauen.

Die Ergebnisse veranlassten die GR+ dazu, die „Hebammenzentrale“ ins Leben zu rufen. Ziel des Projekts ist es, die Betreuung der Frauen bestmöglich gewährleisten zu können, um das bestehende Versorgungsdefizit zu minimieren und die Hebammen zu entlasten. Die Hebammenzentrale wurde als erste Zentrale in Bayern am 6. Mai 2019 als kostenloses, freiwilliges und niederschwelliges Angebot für Hebammen und schwangere Frauen gegründet.

Die Aufgaben der Hebammenzentrale umfassen u. a. die Vergabe von Terminen, die Einteilung von Springer- und Bereitschaftsdiensten, berufsspezifische Fortbildungen, Nachwuchsgewinnung für (Wieder-)Einsteigerinnen sowie die Bildung einer Schnittstelle mit Schulen, Kliniken, (Fach-)Ärztinnen und Ärzten. Die Evaluation des Projekts wurde von der Universität Tübingen durchgeführt.

Die Präsentation zum Vortrag „Partizipative Planung der Hebammenzentrale Erlangen-Höchstadt und Erlangen“ finden Sie hier.

„Gemeinsam fit – wir machen mit!“

Das zweite Praxis-Projekt „Gemeinsam fit – Wir machen mit!“ wurde von Johanna Knott, Diplomsoziologin im Gesundheitsamt Ansbach, vorgestellt. Die Projektidee entstand 2015 im Zusammenhang mit dem Schwerpunktthema „Kindergesundheit in Bayern“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Das Projekt verfolgt das Ziel der Gesundheitsförderung in den 5. Klassen der Mittelschulen in Stadt und Landkreis Ansbach.

Im Laufe eines Schuljahres werden Projektkarten mit Fragen zu verschiedenen gesundheitlichen Themen (Ernährung, Hygiene, gesundes Essen und Bewegung in der Pause sowie in der Freizeit, psychische Gesundheit, Sonnenbrand und Zahnpflege) über die Lehrkräfte an die Schülerinnen und Schüler verteilt. Frau Knott hebt hervor, dass Gesundheit auch das psychische und soziale Wohlbefinden umschließt und begründet damit die Themenwahl der Karten: „Gesundheit umfasst mehr als die körperliche Gesundheit“. Die Projektkarten werden selbständig von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet und im Anschluss mit den Lehrkräften besprochen. Somit setzen sie sich kontinuierlich mit dem Thema Gesundheit auseinander. Mit dem Projekt soll „in der Schule ein Grundverständnis für das Thema“ erreicht werden, um „Kinder für die eigene Gesundheit zu sensibilisieren und die eigene Gesundheit zu stärken“. Das Projekt verfolgt die Prinzipien der Nachhaltigkeit, Niedrigschwelligkeit und Ganzheitlichkeit. Dies hob auch Frau Knott hervor: „Gesundheit ist etwas Ganzheitliches“.

Im Schuljahr 2021/2022 haben insgesamt 400 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt teilgenommen und so verschiedene Aspekte der Gesundheitsförderung diskutiert. Frau Knott verdeutlichte hierzu: „Gesundheit ist nicht etwas, wo man sich einmal drum kümmert, sondern ein Prozess, um den man sich permanent kümmern sollte.“ Mit dem Projekt kann dieser Prozess angestoßen werden. Zum Abschluss lud Frau Knott die Teilnehmenden ein, sich bei ihr zu melden, um Erfahrungen und Materialien austauschen zu können.

Die Präsentation zum Vortrag „Gemeinsam fit – Wir machen mit!“ – Gesundheitsförderung in Mittelschulen finden Sie hier.

Projektidee ja!? Finanzierung nein!?

Nach der Vorstellung der zwei Projekte zur Gesundheitsförderung und Prävention für und mit Menschen in schwierigen Lebenslagen ergriff die Geschäftsführerin der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern (LZG), Andrea Wolff, das Wort. Sie zeigte Möglichkeiten zur (finanziellen) Förderung von Projekten gemäß der Landesrahmenvereinbarung Prävention Bayern (LRV) auf. Dabei handelt es sich um eine trägerübergreifende Fördermöglichkeit durch den Freistaat Bayern (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) sowie die Träger der Gesetzlichen Krankenversicherungen, der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Unfallversicherung in Bayern. Die Geschäftsstelle der LRV ist in der LZG Bayern angesiedelt und stellt die Schnittschnelle zwischen den Antragstellenden und Förderern dar.

Sind auch Sie an einer Projektförderung interessiert? Die Geschäftsstelle LRV unterstützt Akteurinnen und Akteure bei der Projektkonzeption und Antragsstellung. Mehr Informationen zur Förderung über die LRV Bayern finden sie hier.

Die Präsentation zum Vortrag zu „Fördermöglichkeiten gemäß Landesrahmenvereinbarung Prävention Bayern (LRV)“ finden Sie hier.

„Es braucht nicht immer die ganz großen Projekte, sondern auch kleine Projekte bringen das Thema Gesundheitsförderung an die betroffenen Personen heran.“

Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages fasste Frau Wolff den gelungenen Veranstaltungstag zusammen: „Es freut mich sehr, dass wir so viel Interesse für das Thema „Gesundheitliche Chancengleichheit“ in Mittelfranken generieren konnten.“  Mit einem Ausblick auf den zweiten Veranstaltungstag, bei dem drei Workshops zu den Themen „Gesundes Aufwachsen“, „Gesund im mittleren Lebensabschnitt“ und „Gesundes Altern“ angeboten wurden, machte Frau Wolff darauf aufmerksam, dass die Veranstaltung „nicht nur aus Input besteht, sondern gleichzeitig Hoffnung und Ziel der Veranstaltung ist, die Vernetzung mit Ihnen sowie die Vernetzung zwischen Ihnen anzustoßen“.
Abschließend appellierte sie an die Teilnehmenden, dass jeder kleine Schritt dem großen Ziel der gesundheitlichen Chancengleichheit ein Stückchen näherkommt: „Es braucht nicht immer die ganz großen Projekte, sondern auch kleine Projekte bringen das Thema Gesundheitsförderung an die betroffenen Personen heran.“

Veranstaltungstag 2 am 7. Juli 2022

Am zweiten Veranstaltungstag wurden drei verschiedene Workshops angeboten:

  • „Gesundes Aufwachsen“,
  • „Gesund im mittleren Lebensabschnitt“ und
  • „Gesundes Altern“

In virtuellen Räumen haben sich die Teilnehmenden über verschiedene Fragestellungen zum Thema gesundheitliche Chancengleichheit ausgetauscht. In Arbeitsgruppen konnten sie die bereits bestehenden Maßnahmen im Regierungsbezirk Mittelfranken zusammentragen, Bedarfe diskutieren und erste Ideen zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit entwickeln.

Die Ergebnisse der drei Workshops finden Sie hier:

Ergebnisse „Gesundes Aufwachsen“

Ergebnisse „Gesund im mittleren Lebensabschnitt“

Ergebnisse „Gesundes Altern“

Mit dem Online-Fachforum Mittelfranken wurde deutlich, dass die Stärkung der gesundheitlichen Chancengleichheit eine große Bedeutung für die Akteurinnen und Akteure in Mittelfranken hat. Die Veranstaltung diente als Impuls für Vernetzungsprozesse und weitere Aktivitäten, welche die Gesundheit von Menschen in schwierigen Lebensphasen langfristig verbessern sollen.