Fachtagung trifft erneut auf hohes Interesse

In Deutschland sind die Chancen auf ein gesundes Aufwachsen ungleich verteilt. Das Kindes- und Jugendalter ist durch zahlreiche biologische, körperliche, psychische und soziale Veränderungsprozesse geprägt, die herausfordernd und belastend sein können – insbesondere in Kombination mit schwierigen sozialen Bedingungen. In den letzten Jahren wirkte sich u. a. die Pandemie negativ auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus. Verstärkt trifft das auf Kinder und Jugendliche mit einem geringeren sozioökonomischen Status zu. Aufgrund dessen sind Angebote zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen immens wichtig.

Dies zeigte sich auch am erneut hohen Interesse an der Online-Fachtagung „Aufwachsen im Ungleichgewicht – psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Bayern am 20. September 2024. Rund 880 Teilnehmende, vorwiegend aus der Sozialen Arbeit, Pädagogik und dem Gesundheitswesen, nahmen am Fachtag teil.

Vielfältige psychische Gesundheitsprobleme von Kindern und Jugendlichen

Schon zu Beginn der Veranstaltung wurde durch eine Befragung deutlich, dass vielen Teilnehmenden psychische Gesundheitsprobleme von Kindern und Jugendlichen sowohl in ihrem beruflichen als auch privaten Umfeld begegnen. Am häufigsten wurden Depressionen, Ess- und Angststörungen sowie ADHS genannt.

Nach einer kurzen Begrüßung und einführenden Worten durch die KGC Bayern, richtete Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP), ihr Grußwort per Videobotschaft an die Teilnehmenden und betonte, dass „die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen von herausragender Bedeutung ist“.

Deutschlandweite Daten zeigen: Handeln ist notwendig

Die Relevanz des Themas verdeutlichen die Ergebnisse der HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) Deutschland zur psychischen Gesundheit und gesundheitlichen Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen, die Vertr. Prof. Dr. Irene Moor des Instituts für Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Halle vorstellte. Sie betonte, dass in der Studie, die deutschlandweit repräsentative Daten für 9-, 11- und 15-Jährige liefert, gezeigt wurde, dass „Belastungskarrieren früh beginnen und sich durch den gesamten Lebenslauf ziehen“. Insbesondere in Bezug auf Alter, Geschlecht sowie familiären Wohlstand zeigten sich deutliche Unterschiede in Bezug auf mentale Gesundheit. So berichteten mehr ältere und insbesondere Mädchen sowie Genderdiverse über geringeres psychisches Wohlbefinden. Ein niedriger familiärer Wohlstand stellt zudem ein 2–3-fach höheres Risiko für ein geringeres psychisches Wohlbefinden dar. Weitere Informationen und Publikationen zur HBSC-Studie finden Sie hier. Die Präsentation zur HBSC-Studie finden Sie hier.

Praxis-Einblicke und Inspiration von Projekten zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Nach der Darstellung der aktuellen Lage der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, verdeutlichten die eingeladenen Referierenden durch praxisnahe Projektbeispiele unterschiedliche Ansatzpunkte zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Das erste Praxisprojekt stellte Alexandra Hölzlein der Präventionsfachstelle des Gesundheitsamts Bamberg vor. KLÄRWERK – Programm zur mentalen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ein Kooperationsprogramm der Stadt Bamberg, des Gesundheitsamts und der Gesundheitsregionplus. Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche, junge Erwachsene, Eltern sowie Fachkräfte. Das Programm besteht unter anderem aus der Bündelung regionaler Hilfsangebote auf der Klärwerk-Homepage, Fortbildungen für Fachkräfte, einer Podcast Reihe zur psychischen Gesundheit, Online-Elternabenden zu verschiedenen Themenschwerpunkten sowie aus einem Theaterstück, dass in Schulen den Umgang mit schlechten Gefühlen thematisiert. Frau Hölzlein beendete Ihren Vortrag mit Hinweisen zur Umsetzung, die sich im Rahmen von KLÄRWERK bewährt haben. So weist Sie z. B. auf die Nutzung bestehender regionaler Netzwerke und Angebote hin: „es muss nicht alles neu erfunden werden“. Die Präsentation zu KLÄRWERK finden Sie hier.

Auf die besondere Situation von Kindern psychisch erkrankter Eltern gingen Harald Wunderlich und Sabine Kraus, Projektmoderation Erlangen, mit Ihrer Vorstellung des zweiten Praxisprojekts „KIDSTIME“ – Workshop für Kinder psychisch erkrankter Eltern und ihre Familien, ein. Das Projekt wird deutschlandweit an 25 Standorten umgesetzt und wird im Landkreis Erlangen-Höchstadt und der Stadt Erlangen seit 2019 angeboten. KIDSTIME bietet einen geschützten Rahmen, in dem sich Familien zu psychischen Erkrankungen austauschen können. Ziel ist es, anhand eines standardisierten Ablaufs der Workshops Kenntnisse über psychische Erkrankungen zu vermitteln, Auswirkungen von Anpassungsstörungen zu minimieren, kreative Ausdrucksmöglichkeiten zu schaffen sowie den Erfahrungsaustausch zwischen und innerhalb der betroffenen Familien zu ermöglichen. Für viele Teilnehmende ist laut Herrn Wunderlich die Erfahrung „nicht allein zu sein“ im Austausch mit anderen Familien ein erster Schritt aus der Isolation. Die Präsentation zu KIDSTIME finden Sie hier.

Das dritte Praxisprojekt Grow Happy Nbg – Seelisch gesund Aufwachsen im Stadtteil – Projekt zur Gesundheitsförderung und Prävention für junge Menschen und ihre Eltern des Gesundheitsamtes der Stadt Nürnberg wurde von Nils Weiß und Antonia Frankenberger vorgestellt. Grow Happy Nbg ist ein Präventionsprojekt zur Förderung der psychischen Gesundheit junger Menschen (0-25 Jahre) in sozial angespannten Stadtteilen. Das Projekt zielt darauf ab, Akteurinnen und Akteure in verschiedenen Stadtteilen Nürnbergs zu vernetzen und durch unterschiedliche Angebote für das Thema psychische Gesundheit zu sensibilisieren. Mit der Hilfe verschiedener Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern entwickelt das Projekt partizipativ mit der Zielgruppe niederschwellige Angebote zur Förderung von psychischen Ressourcen. Von der Gestaltung eines Stärken-Boards im Rahmen eines Skate-Angebots für Mädchen wurde beispielsweise berichtet, dass „Gespräche während der Angebote den Selbstwert der Jugendlichen stärken können“. Die Angebote reichen von Kinderyoga, über BMX- und Kletterkurse für Jugendliche und junge Erwachsene bis hin zu Stressbewältigungsangeboten und Online-Elternabende für Erwachsene. Die Präsentation zu Grow Happy Nbg finden Sie hier.

Ausblick und weiterführende Informationen

Nachdem die Teilnehmenden Rückfragen und Anregungen mit den Referierenden austauschen konnten, klang der Fachtag mit Statements der Referierenden aus. Die Abschlussrunde verdeutlichte, dass es derzeit weniger an Engagement und Ideen mangelt, sondern eher an der Umsetzung, Finanzierung und Verstetigung von Projekten. Der Blick auf die Prävalenzen verrät, dass die Bemühungen derzeit immer noch nicht ausreichen. Aufgrund dessen muss weiterhin das Bewusstsein für die Bedeutung von psychischer Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im täglichen Leben geschärft sowie auf Bewältigungsstrategien und psychosoziale Hilfsangebote aufmerksam gemacht werden.

Im Rahmen der Woche der seelischen Gesundheit vom 10. – 20. Oktober finden deutschlandweit viele Aktionen zur Bekanntmachung von Präventions- und Beratungsangeboten statt. Neben den vorgestellten Präventionsprojekten leisten zahlreiche Akteurinnen und Akteure Unterstützungsmaßnahmen. Der Krisendienst Bayern steht als Anlaufstelle bei seelischen Krisen und psychischen Notlagen allen Menschen in Bayern zur Verfügung.

Haben Sie Fragen zur Arbeit der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Bayern? Vielleicht möchten auch Sie Aktivitäten oder Projekte zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit ins Leben rufen? Wenden Sie sich gerne an das Team der KGC Bayern. Mehr Informationen finden Sie hier.