Kurzporträt
Nürnberg ist eine kreisfreie Großstadt im Regierungsbezirk Mittelfranken und mit 515.201 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand Juni 2018), nach München, die zweitgrößte Stadt Bayerns. Neben überdurchschnittlich stark vertretenen Personaldienstleistungen, weist die Brancheneinschätzung vor allem die Bereiche Handel und Lager, Hotel- und Gaststättengewerbe sowie das Gesundheits- und Sozialwesen als beschäftigungsträchtig aus. Aufgrund der günstigen Arbeitsmarktlage konnte die lokale Arbeitslosenquote stetig gesenkt werden, liegt mit aktuell 4,8 % (Stand Januar 2019) aber immer noch höher als der bayernweite Durchschnitt. Von den ca. 16.500 Arbeitslosen entfallen 61,6 % auf das SGB II.
Insgesamt werden im Jobcenter Nürnberg-Stadt ca. 42.500 Nürnberger Bürgerinnen und Bürger in knapp 22.000 Bedarfsgemeinschaften betreut. Mit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt das Jobcenter Nürnberg-Stadt (JCN) damit zu den drei größten bayerischen Einrichtungen. Bei der Betrachtung der Kundenstruktur stellen überdurchschnittliche Ausprägungen bei dem Anteil von Kundinnen und Kunden mit ausländischer Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund sowie ohne Schul- und Berufsabschluss lokale Merkmale dar, die trotz günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine schnelle Einmündung in den Arbeitsmarkt oftmals erschweren.
Projektvorhaben
Gesundheitliche Einschränkungen (GE) stellen ein entscheidendes Hemmnis für die erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt dar und umgekehrt verschärft sich das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen mit andauernder Arbeitslosigkeit. Dies zeigt sich insbesondere in der steigenden Anzahl an psychisch beeinträchtigten Personen im SGBII1.
Die in der täglichen Beratungspraxis erlebte Notwendigkeit sowie positive Vorerfahrungen aus der Pilot-Teilnahme in Modellphase I in 2015 und aus eigenen gesundheitsbezogenen Projekten bestärkten das Jobcenter Nürnberg, Gesundheitsorientierung als geschäftspolitischen Schwerpunkt zu verankern und eine entsprechende dezentrale Vernetzung mit kommunalen Akteurinnen und Akteuren voranzutreiben.
Mit der Aufnahme des Jobcenters in die kommunale Gesundheitsregionplus Stadt Nürnberg (GR+) und der damit verbundenen Gründung der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Arbeitslosigkeit“ im Juli 2016 erfolgte der gemeinsame Beschluss von Jobcenter und Gesundheitsamt, dem Modellprojekt eine Bedarfserhebung mit partizipativer Vorgehensweise voranzustellen.
Ziel der Bedarfserhebung war es, durch die aktive Einbindung arbeitsloser Menschen tatsächliche Bedürfnisse aufzudecken und direkte Rückmeldungen zu Barrieren und Unterstützungsmöglichkeiten zu erhalten, um so innovative gesundheitsbezogene Ansätze zu entwickeln und durch passgenaue Maßnahmen zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit in Nürnberg beizutragen. Außerdem soll arbeitslosen Menschen ein niedrigschwelliger Zugang zu bestehenden lokalen Angeboten der Gesundheitsförderung ermöglicht werden.
Die Umsetzung des Verzahnungsprojektes als nachhaltige Strategie zur Sensibilisierung, Aktivierung und Unterstützung der Kundinnen und Kunden für ein eigen-verantwortliches gesundheitsförderliches Verhalten, erfordert einen ganzheitlichen Ansatz mit vielen Bausteinen und noch mehr Beteiligten sowie eine längerfristige Perspektive und die feste Überzeugung vom gemeinwohlorientierten Mehrwert eines gesundheitsorientierten Engagements des Jobcenters in der kommunalen Lebenswelt.
Gesundheitsförderungsprogramm
- Aktivierende Präventions- und Gesundheitsberatung
Die Kundinnen und Kunden können ohne Terminvereinbarung in eine Einzelberatung (offene Sprechstunde) kommen, diese wird wöchentlich an allen Standorten des Jobcenters angeboten. Die Beratung ist freiwillig und kostenlos. Gleichzeitig sind jederzeit Terminvereinbarungen zur Beratung möglich. Durch die Integrationsfachkräfte (IFK) werden die Gutscheine zur Gesundheitsberatung in der regulären Beratung ausgegeben. Gesprächsinhalte sind u.a.: Wo und wie kann ich kostengünstig Sport machen? Wie kann ich meine Leistungsfähigkeit erhalten? Wie kann ich meinen Stress reduzieren? und vieles mehr. - AktivA-Training
Als Gruppenangebot bieten die beiden Gesundheitsberaterinnen das AktivA-Training (Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit) in der Kleingruppe statt. Das Grundgerüst bilden die Module „Aktivitätenplanung“, „Konstruktives Denken“, „Soziale Kompetenz“ und „Systematisches Problemlösen“. Ziel ist es, die Teilnehmenden als individuelle Persönlichkeiten zu stärken und Synergieeffekte aus der Gruppe zu nutzen. Dadurch wird Veränderungsbereitschaft unterstützt und ein Perspektivwechsel ermöglicht, der oft weit über die Gesundheitsthematik hinausreicht. - „Aktiv durch Vitamin B“
Das Konzept wurde auf Basis der gemeinsam von der Gesundheitsregionplus Stadt Nürnberg und dem Jobcenter durchgeführten partizipativen Bedarfserhebung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des JCN selbst entwickelt. Mit dieser Workshop-Reihe erhalten die Teilnehmenden die Gelegenheit gesundheitsförderliche Angebote, die sich an den Ergebnissen der partizipativen Bedarfserhebung orientieren, in geschütztem Rahmen auszuprobieren. Angepasst an die Interessen der Gruppenteilnehmenden werden Informationen zu wohnortnahen Anlaufstellen, Stadtteilzentren, (Sport-)Vereinen, Projekten („Gesundheit für alle im Stadtteil“) weitergegeben und Einrichtungen sowie bestehende Angebote gemeinsam besucht. Ziel ist durch Aktivierung „erste Barrieren“ zu überwinden und Teilnehmende nachhaltig in die lokale Angebotsstruktur zu überführen. - Schnell und kostengünstig – eine gesunde Mahlzeit in 20 min
Ernährungsworkshop für junge Erwachsene mit Einkaufstraining im Dienstleistungszentrum U25 des Jobcenters. In erster Linie soll das eigene Einkaufsverhalten reflektiert werden. Ziel ist es, im Alltag einfach und kostengünstig einzukaufen und im Anschluss eine schnelle und gesunde Mahlzeit zuzubereiten. - Gesundheitstag für alle JC-Kundinnen und Kunden
Unter dem Motto „Ein Tag für Ihre Gesundheit!“ ist das Ziel dieses Vormittages den Kundinnen und Kunden alltagstaugliche Möglichkeiten einer gesunden Lebensweise und die vielfältige Angebotspalette an (kostenlosen) Anlauf- und Beratungsstellen in Nürnberg vorzustellen. Geboten ist eine Messe mit zahlreichen Informations- und Beratungsständen. Parallel dazu finden Mitmachangebote zu Bewegung und Entspannung sowie Impulsvorträge bzw. moderierte Gespräche mit Experten über Gesundheitsförderung und Vorsorge statt. 2018 fand der Gesundheitstag am 11.10.2018 statt und ist 2019 am 15.05.2019 geplant. - Gesundheitskalender 2019
Die erfolgreiche Drittmittelakquise von zusätzlichen Fördergeldern für die Öffentlichkeitsarbeit über die GR+ ermöglichte dem JCN die Anfertigung eines Gesundheitskalenders für 2019 im Taschenformat als praktischer, niedrigschwelliger „Impulsgeber“ mit gesunden Rezepten, Informationen zu kostengünstigen Bewegungsangeboten (Übersicht zu Bewegungsparks in Nürnberg, Förderung von Sportvereins-Mitgliedschaften etc.) und Ankündigung von gesundheitsbezogenen Veranstaltungen. Die Kalender werden durch die IFK sowie durch die Gesundheitsberaterinnen und Gesundheitsberater ausgegeben. - Umsetzung von Präventionsangeboten mit Trägern
In Kooperation mit dem kommunalen Beschäftigungsträger NOA gGmbH konnten 2018 vier Kursdurchläufe eines aktivierenden, speziell für arbeitslose Menschen entwickelten Gruppen-Konzeptes (Job-fit+) beim Träger vor Ort umgesetzt werden. Für 2019 wird diese Variante der Einbettung von Präventionsangeboten bei dem Maßnahmenträger bedarfsgerecht fortgeführt. Außerdem sollen weitere Träger gewonnen werden. - Aufbau und Erprobung innovativer Beschäftigungsangebote
Des Weiteren entwickelt das JCN gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Arbeitslosigkeit“ Ideen, um die Aktivierung der Teilnehmenden an Gruppen- und Workshop-Angeboten nachhaltig zu unterstützen. Mögliche Ansätze sind die Befähigung interessierter Teilnehmender zu ehrenamtlichen „Gesundheits-Peers“ sowie die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten, z.B. über das Teilhabechancengesetz (§16i SGB II) als „Gesundheits-Begleiter“, um perspektivisch „Mittler-Strukturen“ zu fördern. Dies soll 2019 in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren wie z.B. Trägern und Wohlfahrtsverbänden konzipiert und erprobt werden.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
- Kongress Armut und Gesundheit 2019, 14.-15.03.2019, Berlin
Fachforumsbeitrag unter dem Titel „Gesundheitsförderung zugänglich machen – Wie erreichen wir erwerbslose Menschen?“ gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertreter der BA, GKV, LZG und GR+ sowie mit dem Modellstandort Erlangen - Gesunde Städte Nachrichten 2019, Gesunde Städte-Netzwerk
Beitrag zu „Verzahnung von Arbeitsförderung & Gesundheitsförderung:
(Erste) Umsetzungsschritte in den Modellkommunen Nürnberg & Erlangen“ - Pressebericht, Nürnberger Nachrichten,17.01.2019
Artikel „Echte Chance nach jahrelanger Zwangspause – Millionen für Teilhabe: Jobcenter sucht Stellen für Langzeitarbeitslose — Modellprojekt Gesundheitsförderung”
1 vgl. Studien/Quellen: BKK Gesundheitsreport 2012, IAB 2013: mit ca. 35% die häufigste Erkrankungsart (21% bei Beschäftigten), Robert-Koch-Institut 2012, Panel „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), 2012-2014 (6.-8. Welle) und IAB-Berechnungen, vgl. Klingert / Lenhart. Jobcenter-Strategien zur Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen; IAB-Forschungsbericht 3/2017; S. 57